Seit dieser Saison läuft die Champions League wieder beim SRF.Bild: keystone
Interview
Roter Stern Belgrad gegen Bodø/Glimt, Unihockey, Klettern, Volleyball. Das Sport-Live-Angebot von SRF ist so üppig, dass nicht mal alles im linearen Fernsehen Platz hat. Was steckt dahinter? Und was hat Rainer Maria Salzgeber dazu bewogen, die Nati-Moderation abzugeben? SRF-Sportchef Roland Mägerle nimmt Stellung.
Patrik Müller und François Schmid-Bechtel / ch media
In der SRG ist es in den vergangenen Wochen da und dort zu Entlassungen gekommen. Auch bei Ihnen im Sport?
Roland Mägerle: Nur vereinzelt. Es wird nicht flächendeckend, sondern punktuell gespart. Wie bei ganz SRF hat auch der Sport punkto Effizienz schon länger Anstrengungen unternommen und beispielsweise die Sendung «Sport aktuell» gestrichen. Innerhalb von SRF stellt der Sport nur 4 Prozent der Mitarbeitenden. Über die gesamte SRG macht er insgesamt 12 Prozent der Ausgaben aus.
«Für Sportrechte investierte die SRG in den letzten vier Jahren im Schnitt 39,2 Millionen Franken.»
Bezahlen Sie so viel für die Sportrechte, oder wie kommt es, dass die Kosten viel höher sind als der Anteil des Personals?
Für sämtliche Sportrechte investierte die SRG schweizweit in den letzten vier Jahren durchschnittlich 39,2 Mio. Franken, also nicht einmal 3 Prozent der Gesamtausgaben. Die Differenz erklärt sich unter anderem mit den Produktionskosten.
Entlassungen gibt es bei Ihnen also nicht. Spüren Sie Neid aus anderen Bereichen des SRF?
Nein. Wir verstehen uns als Team, auch in der Geschäftsleitung, und haben die Massnahmen zusammen beschlossen.
Vielleicht muss Ihre Abteilung weniger sparen, weil der Sport das ganze SRF retten muss: Live-Sport ist noch das Einzige, was im linearen Fernsehen richtig gut funktioniert.
Diese Einschätzung greift zu kurz. Information und Unterhaltung erreichen auch gute Quoten. Und als öffentliches Medienhaus sind wir nicht nur der Quote verpflichtet.
SRF-Sportchef Roland Mägerle.Bild: srf
Zur Person
Roland Mägerle, 55, ist seit 2015 Leiter von SRF Sport und Business Unit Sport SRG und SSR. Bevor er die Nachfolge von Urs Leutert antrat, war er beim Schweizer Fernsehen als Leiter Grossprojekte tätig. Mägerle hat ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und ist Vater von zwei Kindern.
Die Zuschauerzahl der Tagesschau hat sich beinahe halbiert, aber das Lauberhorn-Rennen schauen immer noch mehr als 1 Million Menschen.
Insgesamt hat die Tagesschau in den letzten zehn Jahren kaum Zuschauer verloren. Was aber zutrifft: Neun der zehn meistgeschauten Sendungen bei SRF seit 2013 sind Sport-Liveübertragungen.
«Es entspricht unserer Strategie, Erfolge von Schweizer Athletinnen und Athleten abzubilden. Das ist unser Auftrag.»
Was ist Ihr Verständnis von Sport im Sinn von Service public?
Das ist in der Konzession klar festgelegt. Wir müssen den Sport in der ganzen Vielfalt und Breite, aber auch den Premium-Sport in allen Landessprachen abbilden. Mit Fokus auf die Schweiz.
Die Konzession nennt keine Details. Ob man Mountainbike-Rennen zeigt, entscheiden Sie.
Es entspricht unserer Strategie, Erfolge von Schweizer Athletinnen und Athleten abzubilden. Das ist unser Auftrag. Was wir nicht können: eine komplette Abdeckung für den Fan bieten.
Im Schwingen ist die Abdeckung ziemlich komplett, da bleiben für die Privaten nur Brosamen.
Ganz im Gegenteil: Gerade Schwingen ist ein gutes Beispiel für die Kooperation von SRG und Privaten. Obwohl von der SRG produziert, sind mehrere Teilverbands- und Bergkranzfeste seit Jahren bei privaten Anbietern zu sehen, auch auf Sendern, die zu Ihrem Konzern (CH Media) gehören.
Im Schwingen sieht Mägerle ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen SRG und Privaten.Bild: keystone
Gibt es Sportanlässe, die nicht zur Grundversorgung gehören?
Sicher. Der Superbowl in den USA etwa. Den hatten wir früher im Programm, darauf verzichten wir aber, auch wenn er auf Interesse stösst.
«Ich bedaure, dass die Eishockey-Liga entschieden hat, nicht mit uns zusammenzuarbeiten.»
Und was ist mit der Schweizer Eishockey-Meisterschaft? Die läuft nicht auf SRF.
Ich bedaure, dass die Liga 2021 entschieden hat, nicht mit uns zusammenzuarbeiten. Und ich bedaure, dass seit der Verschiebung zu MySports und CH Media in der Deutschschweiz 63 Prozent weniger Menschen die Eishockey-Meisterschaft im TV verfolgen und eine gewisse Vielfalt verloren gegangen ist.
Die Vielfalt hat doch zugenommen: Jetzt gibt es mit MySports, Ringier und CH Media, die live aus den Schweizer Hockey-Stadien berichten, mehr Anbieter.
Ich sehe keine Vielfalt. Die Privaten strahlen lediglich aus, was MySports produziert, ohne eigene journalistische Leistungen.
Nach Ihrer Logik müsste SRF sich alle Rechte krallen, auch im Eishockey. Vielfalt ist, wenn SRF alles abdeckt?
Sicher nicht. MySports wird es immer geben, das hoffe ich doch. Ebenso Blue für den Fussball. Sie sind die erste Adresse für alle Fans. Unser Angebot richtet sich an die breite sportinteressierte Öffentlichkeit. Ich schätze dieses komplementäre Modell.
Warum gehört für Sie die Fussball-Champions League zum Service public? Hier haben Sie die Rechte mit Gebührengeldern den Privatsendern von CH Media abgejagt.
Die Champions League ist der wichtigste Wettbewerb im europäischen Klubfussball. Immer wieder sorgen darin auch Schweizer Teams und Spieler für grosse Momente. Wir zeigen ein Spiel pro Runde am Mittwoch plus den Final, also 19 Champions-League-Spiele, mit spezifischem Schweizer Fokus. 60 Prozent der YB-Partien haben wir diese Saison im Programm.
«Die SRG hat für die Champions League faire Angebote unterbreitet. Wir können ausserdem viel mehr in die Waagschale werfen.»
Swissness kann in der Champions League kaum die Legitimation sein. YB wird nicht lange im Wettbewerb mitspielen.
Es spielen in vielen europäischen Spitzenmannschaften Schweizer mit. Ohne YB sind es 19, um genau zu sein, ein Grossteil der Spieler der Schweizer Nationalmannschaft. Und diese möchten wir dem sportinteressierten Schweizer Publikum zeigen.
Dieser Schweiz-Bezug erscheint konstruiert. Die Champions League gehört doch nicht zur Grundversorgung. Es gibt private Anbieter, die Sie bei den Rechten überbieten.
Ich verweise nochmals auf die Konzession, wonach wir die Schweizer Sportlerinnen und Sportler journalistisch begleiten und auch Premium-Sportarten abdecken sollen. Und: Rechteverhandlungen sind keine Auktionen, bei denen man andere überbieten kann. Die SRG hat der UEFA sowie Blue Sport faire Angebote unterbreitet. Am Ende gibt glücklicherweise nicht nur das Geld den Ausschlag. Die SRG kann jeweils viel mehr in die Waagschale werfen, beispielsweise Reichweite, Viersprachigkeit oder Produktionsmöglichkeiten und -qualität.
Auch die Spiele von Manuel Akanjis Manchester City zu zeigen, sieht die SRG als Teil der Konzession.Bild: www.imago-images.de
Wenn Manchester City gegen Sparta Prag spielt, steht mit Manuel Akanji bestenfalls ein Schweizer von insgesamt 22 Spielern auf dem Platz.
Warum schauen junge Menschen Champions League? Wegen vielleicht zehn Fussballern, die man kennt. Wir zeigen Champions League, um einen Mehrwert und eine Vielfalt anzubieten. Und das nicht nur in der Deutschschweiz, sondern auch in der Romandie und im Tessin, wo es in den vergangenen Jahren keine Live-Spiele zu sehen gab.
Wenn im Superbowl zwei Schweizer mittun würden, wäre das dann auch Service public?
Wir sehen die Begleitung von Schweizer Sportlerinnen und Sportler als Teil des Service public. Das bewegt die Menschen in der Schweiz, da sie sich mit ihren Landsleuten identifizieren können. Wir orientieren uns am Interesse des Publikums. Falls zwei Schweizer im Superbowl stünden, müsste man eine Übertragung sicherlich nochmals prüfen.
Wo ist das Interesse des Publikums, wenn Sie ein Spiel wie Roter Stern Belgrad gegen Bodø/Glimt aus Norwegen live zeigen?
Es gibt immer wieder Ausstrahlungsverpflichtungen, die mit Übertragungsrechten einhergehen. So auch in diesem Fall. Hinzu kommt: SRF betreibt kein Rosinenpicken. Wir erzählen Geschichten von A bis Z, auch in der Champions League. YB absolvierte in den Playoffs gegen Galatasaray nur ein Spiel an einem Mittwoch. Also zeigten wir am anderen Mittwoch Roter Stern Belgrad gegen Bodø/Glimt, während YB in der Highlight-Berichterstattung breit abgehandelt wurde.
Das besagte Spiel wurde auf SRF info gezeigt, nicht auf SRF zwei – dafür ist der Infokanal nicht da.
Die Konzession gibt uns diese Möglichkeit, weshalb wir sie seit vielen Jahren nutzen, in letzter Zeit eher seltener als früher.
«Wissen Sie, was ich den Mitarbeitenden sage, wenn es um die Halbierungs-Initiative geht? Macht einen möglichst guten Job!»
Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat ein Aufsichtsverfahren eingeleitet, weil SRF auf dem Info-Kanal Sport überträgt. Das ist nur zulässig, wenn «Sendungen über Ereignisse von nationaler Bedeutung» gezeigt werden. Ist das Spiel Bodø/Glimt gegen Belgrad von nationaler Bedeutung?
Beim Kriterium «Ereignisse von nationaler Bedeutung» handelt es sich um Ereignisse, die nicht lediglich von regionaler Bedeutung sind, unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland stattfinden. Das Spiel Roter Stern Belgrad gegen Bodo/Glimt ist nicht nur von regionaler Bedeutung und erfüllt somit aus unserer Sicht das Kriterium gemäss Konzession.
Die Highlights des Spiels.Video: SRF
Der Verdacht liegt im Raum: SRF sichert sich so viele Sportrechte wie möglich, um beim Volk zu punkten, das 2026 über die Halbierungs-Initiative entscheidet.
Hinter unserer Ausrichtung steckt kein politisches Kalkül. Wissen Sie, was ich den Mitarbeitenden sage, wenn wieder mal irgendwo etwas im Zusammenhang mit der Halbierungs-Initiative aufpoppt? Macht einen möglichst guten Job! Transportiert möglichst gut die positiven Emotionen, die der Sport bietet!
Wenn Ihr Einkaufsbudget für Rechte halbiert würde: Was würden Sie als Erstes streichen? Und was zuletzt?
Die Konzession läuft noch bis 2028. Was danach kommt, ist Sache der Politik.
Wir fragen Sie und nicht die Politik. Würden Sie eher die Champions League oder die Schwingfeste behalten, bei halbierten Mitteln?
Stand heute kann ich das nicht beantworten.
Fragen wir anders: Welche Sportart liegt Ihnen als Privatperson besonders am Herzen?
Ich komme aus dem Ausdauerbereich, habe selber Leichtathletik gemacht. Ich bin aber nicht spezifisch Fan von etwas, sondern generell sportinteressiert.
«Ich fände es gut, wenn ein Privatsender die Klub-WM übertragen würde. Da würden wir nicht für das Gesamtpaket bieten.»
Was sind Sie, abgesehen vom Superbowl, bereit, den Privaten zu überlassen?
Beispielsweise findet nächstes Jahr die Fifa-Klub-Weltmeisterschaft erstmals statt mit 32 Mannschaften, davon 13 aus Europa. Ich fände es gut, wenn ein Privatsender diese WM übertragen würde. Wir würden uns auf die Highlights beschränken, aber nicht für das Gesamtpaket bieten.
SRF Sport hat eine App für das Smartphone, aber auf den TV-Geräten gibt es sie nicht. Offenbar arbeiten Sie seit längerem daran. Wo hapert es?
Auch auf den «Big Screens», den Fernsehgeräten, schauen die Leute mehr und mehr über Apps. Mir wäre auch lieber, wir kämen damit schneller voran.
Bremsen die Welschen und die Tessiner?
Zu internen Diskussionen äussere ich mich nicht.
Das SRF-info-Problem wären Sie los, wenn es diese App gäbe.
Die lineare Fernsehnutzung bleibt mit oder ohne App noch für längere Zeit wichtig. Wir sind da, wo das Publikum Sport schauen möchte. Aber sicher: Eine «Big Screen»-Lösung im digitalen Bereich würde vieles einfacher machen, vor allem, wenn mehrere Events gleichzeitig stattfinden. Im Projekt «Play next» der SRG wird auch der Sport mitgedacht. Es soll das Angebot der Player von SRF, RTS, RSI und RTR sowie Play Suisse in einer App zusammenbringen.
«Persönlichkeiten wie Rainer Maria Salzgeber und Sascha Ruefer bleiben wichtig, gerade im Live-Bereich.»
Haben in der digitalen Sportwelt Fernsehgesichter wie Rainer Maria Salzgeber, der nun bei Ihnen kürzertritt, und Sascha Ruefer noch dieselbe Bedeutung?
Solche Persönlichkeiten bleiben wichtig, gerade im Live-Bereich. Wir haben teilweise fixe Teams, von der Fussball-Nati bis zum Ski-Weltcup. Aber auch Moderatoren sind in erster Linie Top-Journalisten, sie stehen nicht nur vor der Kamera.
Rainer Maria Salzgeber moderiert die Nati-Spiele in Zukunft nicht mehr.Bild: keystone
Warum verabschiedet sich Rainer Maria Salzgeber als Moderator der Fussball-Nati-Spiele? Gibt man einen so prestigeträchtigen Job wirklich freiwillig ab?
Ja, er entschied das so für sich, und wir unterstützen ihn darin. Er moderiert weiterhin die Champions League, das Sportpanorama, die Sport-Awards und weitere Sendungen.
Keine atmosphärischen Störungen?
Nein. Er hat sich so entschieden. Wir haben ein tolles Team und auch Junge, die nachkommen.
«Bei den Experten hatten wir dieses Jahr wohl einen so hohen Frauenanteil wie noch nie.»
Wo sind, neben Annette Fetscherin, die Gesichter der Frauen bei SRF Sport?
Es geht nicht nur um die Moderation, sondern auch um die Expertinnen. Da hatten wir dieses Jahr wohl einen so hohen Frauenanteil wie noch nie. Aber ja: Es ist ein Prozess, die Verfügbarkeit muss gegeben sein, wir machen vorwärts.
Allein auf weiter Flur: SRF-Moderatorin Annette Fetscherin.bild: srf
In der Königsdisziplin Fussball kommentiert keine einzige Frau.
Wo wir Möglichkeiten sehen, tun wir etwas. Das ist uns ein grosses Anliegen. Was wir auf keinen Fall wollen: jemanden verheizen.
Die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz wird 2025 ein Sporthighlight. Wer sind da die Aushängeschilder?
Wir werden alle 31 Spiele live übertragen und berichten umfassend darüber hinaus. Wir lehnen uns im Konzept an der Männer-EM an. Wir bespielen die ganze Klaviatur. Mehr kann ich noch nicht verraten.
Sie orientieren sich an der Männer-EM, aber gibt es Innovationen? Vieles wirkt routiniert, und auch die Studios sehen seit einer gefühlten Ewigkeit gleich aus.
Bei den Studios sind wir dran. Aber unsere Investitionsmöglichkeiten sind beschränkt. Eine Veränderung wäre schön, auch beim Gestalterischen, nicht nur beim Inhaltlichen, wo wir vieles weiterentwickelt haben.
Das supermoderne ZDF-Studio als Vorbild?
Was das wohl gekostet hat … Ihr wärt die Ersten, die das kritisieren würden! (Lacht.) (aargauerzeitung.ch)