Franz Julen ist Chef der Zermatter Bergbahnen.Bild: keystone
Interview
Der Chef der Zermatter Bergbahnen und der Weltcup-Rennen am Matterhorn erklärt, wieso er das Engagement eines Investors bei der FIS als grosse Chance sieht und weshalb er Mühe mit den Forderungen der Skistars hat.
Rainer Sommerhalder / ch media
Der Skisport ist in Aufruhr. Ein Angebot der luxemburgischen Investmentfirma CVC Capital Partners über 400 Millionen Euro für eine Beteiligung von 20 Prozent an den kommerziellen Rechten der FIS sorgt für Unstimmigkeit und viele offene Fragen. Die Diskussionen sind auch verknüpft mit der Frage einer Zentralisierung der internationalen Medien- und Werberechte.
Aufgrund seines beruflichen Werdegangs kennt Franz Julen sowohl den Skisport in all seinen Facetten als auch durch verschiedene Verwaltungsratsmandate das Geschäftsmodelle von Private-Equity-Firmen wie CVC bestens. Wir haben ihn nach seiner Meinung und nach dem aktuellen Stand zu den Weltcup-Rennen in Zermatt gefragt.
Was raten Sie FIS-Präsident Johann Eliasch, wie er mit dem Angebot von CVC umgehen soll?
Franz Julen: Ich will keine Ratschläge erteilen, aber kann meine langjährige Erfahrung einbringen. Ich bin überzeugt, dass die zentrale Vermarktung der richtige Weg für den Skisport ist – für den Stellenwert und das Image des Sports, aber auch für die Landesverbände und die Athleten. Bereits in den Neunzigerjahren, als ich bei Marc Biver in der Sportvermarktung arbeitete, haben wir den damaligen FIS-Exponenten Marc Hodler und Gian Franco Kasper genau diesen Weg vorgeschlagen. Leider ist in den vergangenen 30 Jahren nichts passiert. Ich würde Johann Eliasch also empfehlen, mit CVC in Verhandlungen zu steigen und vor allem zu versuchen, CVC an die im Brief gemachten pauschalen Aussagen festzunageln.
Franz Julen – zur Person
Der Walliser war Servicemann seines Bruders Max Julen, des Riesenslalom-Olympiasiegers von 1984. Er vermarktete Weltcup-Rennen und Weltmeisterschaften, managte Cracks wie Vreni Schneider oder Pirmin Zurbriggen, arbeitet als Skisport-Journalist und schrieb ein Buch über Pirmin Zurbriggen. Die Ausrüsterseite kennt er als CEO der Skimarke Völkl, und er investierte als CEO von Intersport Millionen ins Sponsoring des alpinen und nordischen Skisports. Er war OK-Präsident der Zermatter Weltcup-Abfahrten und ist Präsident der Zermatter Bergbahnen. Der 66-jährige Franz Julen lebt seit 30 Jahren in Hünenberg. (rs)
Der FIS-Präsident behauptet, für die zentrale Vermarktung sei das Angebot von CVC unerheblich. Sie sehen das anders?
Ja, ich bin anderer Meinung. Klar, hängt es zusammen. Es geht dabei ja um die Kommerzialisierung der TV-, Sponsoring- und Werberechte. Ich kenne den Brief, es geht um die Beteiligung von CVC in einer gemeinsamen Firma mit der FIS, welche für die zukünftige Vermarktung des Skisports zuständig ist. Die FIS und die Verbände haben zwar weiterhin die volle Hoheit über den Sport und die Regularien. Aber bei der Vermarktung will ein Partner aus der Private-Equity-Branche, der bereit ist, 400 Millionen Euro auf den Tisch zu legen, entscheidend mitreden.
«Die Sponsoren werden das Produkt vermarkten, durch gebündelte Kräfte kann man mehr Einnahmen generieren, und auch die Athleten profitieren durch höhere Preisgelder und bessere Werbemöglichkeiten.»
Also ein lukratives Angebot?
Zweifellos ein cleveres. Im Brief steht «unverbindlich» und «vorbehaltlich eines Vertrags». CVC lässt sich alle Möglichkeiten offen, und der Weg bis zu einem Vertrag ist noch weit. Der Brief wurde aber bewusst sehr breit gestreut. Die ganze Skiwelt spricht darüber und ist in Aufruhr. CVC hat sein erstes Ziel erreicht, wobei es den Betrag zu relativieren gilt.
Warum?
Der Betrag gilt für alle Rechte, alle FIS-Disziplinen und wird über 3 bis 5 Jahre bezahlt. Also 100 Millionen Euro für rund 350 Bewerbe pro Jahr.
Wo sind die Vorteile einer solchen Partnerschaft?
Wenn bei einer zentralen Vermarktung vier, fünf grosse Weltfirmen als Sponsoren bei jedem Event der FIS Präsenz haben, dann hilft das dem Stellenwert und dem Image des Sports ungemein. Die Sponsoren werden das Produkt vermarkten, durch gebündelte Kräfte kann man mehr Einnahmen generieren, und auch die Athleten profitieren durch höhere Preisgelder und bessere Werbemöglichkeiten.
Aber Eliasch sagt, das könne die FIS auch allein bewerkstelligen.
CVC bringt eine riesige Erfahrung mit. Die Firma ist in der gleichen Rolle bereits in der Formel 1, im Moto-GP, im Fussball oder im Frauentennis engagiert. Die Branche «Private Equity» sind hochprofessionelle, kommerzielle Partner. Sie werden Synergien nutzen und Türen öffnen.
Was erhofft sich CVC von einem solchen Deal?
Dieses Business hat mit Charity, mit Grosszügigkeit überhaupt nichts zu tun. Das ist ein knallhartes kommerzielles Geschäft. Institutionelle Anleger sowie vermögende Privatpersonen oder Family Offices geben Firmen wie CVC Geld, um damit Firmen zu kaufen und wieder zu verkaufen. Es werden Renditen von 15 bis 20 Prozent pro Jahr angestrebt. Profitmaximierung steht hier an erster Stelle. CVC will also im Skisport Geld verdienen. Es müssen sich alle Beteiligten bewusst sein, dass im Skisport neue Spielregeln gelten werden. In der Regel werden die Investments nach fünf bis sieben Jahren wieder verkauft. CVC wird also kein langfristiger Partner des Skisports sein.
«Die nationalen Verbände werden auf Sonderzüge verzichten müssen.»
Wo liegen die Herausforderungen?
Man muss sich bewusst sein, auf was man sich einlässt. Die nationalen Verbände werden auf Sonderzüge verzichten müssen. Wirklich alle – FIS, nationale Verbände und OKs – müssen an einem Strick ziehen. Ich mache zwei Beispiele: Die FIS will den Vertrag mit Infront für die Zentralisierung der TV-Rechte mit den Verbänden abschliessen. Aber die österreichischen Rennen sind nicht dabei. Also ohne Kitzbühel, den kommerziell und sportlich wichtigsten Event. Für CVC undenkbar. Oder: Die Bank of America wird einer der grossen Sponsoren. Swiss Ski hat als Partner Raiffeisen. Die Bank war an den Schweizer Weltcup-Rennen präsent. Diese Zeiten sind dann vorbei. Die Bank of America wird Exklusivität haben. Swiss Ski kann mit Raiffeisen im Dorf präsent sein, aber nicht mehr an der Strecke und im Ziel.
Dann verliert Swiss Ski ja Einnahmen?
Nein, auch die Landesverbände werden unter dem Strich durch diese Exklusivität im Rahmen der zentralen Vermarktung mehr Geld verdienen. Raiffeisen wird ja weiterhin Teamsponsor sein können, aber nicht mehr Eventpartner.
Gibt es weitere einschneidende Veränderungen?
Dafür reicht ein Blick in die Formel 1. 2015 gab es 19 Rennen, heute sind wir bei 24 Rennen. Der Fokus auf Europa hat sich klar verringert, dafür gibt es viel mehr Rennen im Nahen Osten, in den USA und man ist in China präsent. Dort ist kommerziell viel mehr zu holen. Auch im Skisport wird es mehr Rennen geben. Der kommerzielle Aspekt spielt mit einem Partner CVC eine viel grössere Rolle. Dessen müssen sich alle bewusst sein, es wird fortan ein ganz anderer geschäftlicher Wind wehen.
«Auch die Athleten müssen bereit sein, sich dem kommerziellen Denken unterzuordnen.»
Die FIS hat sich mehr Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben. Eine Ausweitung des Weltcups in neue Märkte widerspricht doch diesem Ansatz?
In der Formel 1 ist am 22. November des nächsten Jahres ein Rennen in Las Vegas und eine Woche später das nächste in Katar. Das erscheint mir doch grenzwertig. Die beiden Themen schliessen sich für mich aber nicht aus. Man muss den Vertrag mit der CVC so ausgestalten, dass die vernünftigen Anliegen punkto Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Skisport ist per se nicht der nachhaltigste Sport, aber bei der Gestaltung des Kalenders und des Trainings kann man Einfluss nehmen.
Die Skistars haben sich mit mehreren Briefen an die FIS sehr dezidiert eingebracht. Was halten sie von dieser Aktion?
Es ist ihr Sport, sie sind die Protagonisten. Ich habe Verständnis, dass sie sich einbringen. Es ist richtig und wichtig, dass sie Transparenz verlangen. Aber sie müssen sich bewusst sein, dass es für sie nicht den Fünfer und das Weggli gibt. Weniger Rennen und mehr Preisgeld wird es mit CVC nicht geben. Auch sie müssen bereit sein, sich dem kommerziellen Denken unterzuordnen.
Wenig Freude hatten sie, als sich die Athleten klar gegen Gletscherrennen in Zermatt aussprachen. Wieso? Sie bezeichnen die Fahrer ja selbst als die Hauptprotagonisten.
Wir haben diesen Entscheid respektiert und akzeptiert, auch wenn ich Bedenken anbringe, dass die Fahrer in die Gestaltung des Rennkalenders involviert werden. Sie werden zu sehr von ihren persönlichen Interessen gesteuert. Die Fahrer sagten zu den Gletscherrennen in Zermatt, man könne an diesem Ort aufgrund des Wetters ohnehin nie Rennen fahren, und sie sagten, die einstündige Anfahrt bis zum Start sei zu aufwendig. Die Wetterbedingungen in diesem November haben gezeigt, dass Rennen möglich sind. Der Skisport hat zu einem Zeitpunkt, wo nur in Zermatt Speedrennen ausgetragen werden können, beste Werbemöglichkeiten verpasst. Und punkto Kritik am zeitlichen Aufwand: Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Sie hätten an den Zermatter Rennen das zweithöchste Preisgeld im Weltcup verdient. CVC wird es nicht interessieren, wie weit die Anreise an den Start sein wird. Und die Athleten sollten bei ihrer Einschätzung zu Zermatt auch an einen weiteren Punkt denken: Während viele Organisatoren im Weltcup finanzielle Sorgen plagen, konnten wir zusammen mit Swiss Ski innerhalb von sechs Monaten alle Sponsoringrechte verkaufen. Das unterstreicht das kommerzielle Potenzial dieser Rennen.
Marco Odermatt vor dem Matterhorn: Bislang fanden in Zermatt noch keine Weltcuprennen statt. Bild: keystone
Sie vermissen bei den Äusserungen der Athleten den Blick auf die Zusammenhänge?
Ich gebe ein Beispiel. Im vergangenen Jahr war in Garmisch ein Super-G mit verkürzter Strecke und im sehr weichen Schnee. Mehrere Athleten sagten daraufhin, man sollte künftig in Deutschland keine Speedrennen mehr fahren. Sorry, eines der Probleme des Skisports ist, dass es immer mehr nur Schweiz und Österreich ist. Der Markt in Deutschland ist derart gross und wichtig, dass solche Äusserungen der Fahrer absolut nicht im Sinn des Skisports sind. Aber noch einmal: Ich verstehe die Athleten, sie sind in diesem Moment in ihrem Tunnel. Umso mehr braucht es Personen in den Verbänden und vor allem auch die Manager, welche die Athleten briefen. Schliesslich sind gerade Letztere mit dem Ziel unterwegs, den Athleten zu kommerzialisieren. Aber mit einer einzigen Aussage in der heutigen digitalen Welt kann man so viel kaputtmachen. Ich spreche hier nicht von einem Maulkorb. Es braucht unbedingt Athleten mit Ecken und Kanten, aber in gewissen Themen muss man sie über Zusammenhänge und Konsequenzen aufklären.
«Wir sind offen und warten ab. Ich bin überzeugt, die Zeit von Zermatt wird kommen.»
Profitieren auch die Rennen in Zermatt von CVC?
Es wäre das Beste, was Zermatt passieren kann. Wenn der Skisport stärker kommerzialisiert und internationalisiert wird, dann braucht es die traditionellen Toporte wie Kitzbühel und Wengen. Und es braucht Skiorte mit Topimage. Das bringen Zermatt und das Matterhorn mit. Der Weltcup wird sicher früher starten und später aufhören. Wir können beides bieten. Wir haben die Strecke Gran Becca, auf der man im November starten kann, und wir werden in drei Jahren die Gornergrat-Strecke haben, auf der man bis Anfang April Rennen fahren kann. Das plus die Schneesicherheit und Höhenlage spielen Zermatt extrem in die Karten.
Also werden in Zermatt bald doch noch Weltcup-Rennen stattfinden?
Ich halte es in dieser Frage mit Konfuzius: In der Ruhe liegt die Kraft! Wir sind offen und warten ab. Ich bin überzeugt, die Zeit von Zermatt wird kommen. Der Ball liegt nun bei den nationalen Verbänden und der FIS. Sie sollen uns sagen, wie es konkret weitergeht. Wir haben einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen, der weitere drei Jahre läuft. Die Strecke am Gornergrat realisieren wir übrigens unabhängig von der Frage der Weltcup-Rennen. Der Verwaltungsrat der Zermatt Bergbahnen hat erst kürzlich rund acht Millionen Franken für die Realisierung gesprochen. Wenn es normal läuft, ist die Piste im Dezember 2027 für Touristen offen.
Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand zu den Rennen?
Wir sind in konstruktiven Gesprächen.
Diesen Sommer durften die Skiprofis auf dem Zermatter Gletscher nicht trainieren.Bild: keystone
Dann dürfen Marco Odermatt und Co. im nächsten Sommer fürs Training zurück auf den Zermatter Gletscher?
Die Zermatt Bergbahnen werden dies in aller Ruhe im Februar oder März entscheiden.
Dann raten Sie Swiss Ski, mit der Buchung von Flügen fürs Sommertraining in Südamerika zuzuwarten?
Ich würde buchen, aber mit einem Tarif, der annulliert werden kann.
Sowohl Sie als auch Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann und FIS-Boss Johan Eliasch sind absolute Alphatiere. Erschwert diese Konstellation eine Lösungsfindung?
Nein, ich denke nicht. Ich habe mit Urs und Johann ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Am Schluss haben wir alle drei ein grosses Herz für den Skisport. Wir haben ihm viel zu verdanken. Jeder von uns wird letztlich das machen, was für den Skisport langfristig am besten ist. (aargauerzeitung.ch)