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Im November wird in den USA der nächste Präsident – oder die erste Präsidentin – gewählt. Wir erklären dir alles, was du zu den Wahlen wissen willst.
26.10.2024, 17:4126.10.2024, 18:40
Am Dienstag, 5. November, finden in den USA die Wahlen statt. Dann wird entschieden, wer für die kommenden vier Jahre ins Weisse Haus einzieht. Donald Trump oder Kamala Harris wird der 47. Präsident – oder eben die Präsidentin – der Vereinigten Staaten und löst Joe Biden ab. Dieser bleibt noch bis zum 20. Januar 2025 im Amt.
Der US-Präsident ist einer der mächtigsten Menschen der Welt. Entsprechend wichtig ist die Wahl.
Zwar scheint das US-amerikanische Zweiparteiensystem – Republikaner gegen Demokraten – auf den ersten Blick simpel, doch der zweite Blick zeigt, wie kompliziert der Wahlprozess ist. Damit du dich im Dschungel der Begrifflichkeiten zurechtfindest, klären wir hier die wichtigsten Fragen rund um die US-Wahlen.
Wie funktioniert die Wahl?
Die US-Wahlen finden alle vier Jahre jeweils am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt. (Die umständliche Formulierung mit dem Montag sei uns verziehen: Dürfte die Wahl am ersten Dienstag im November stattfinden, könnte sie auf den 1. November fallen. An Allerheiligen arbeitet man im religiösen Amerika selbstverständlich nicht.)
Bei der Wahl 2024 ist das der 5. November. An diesem Tag gehen die Amerikanerinnen und Amerikaner an die Urne. Ab 6 Uhr morgens (je nach Bundesstaat) können sie – indirekt – wählen, wer der nächste Präsident sein soll. Während die Wählenden auf dem Stimmzettel ihre Stimme für das gewünschte Präsidentschafts-Duo abgeben, wählen sie in Wirklichkeit die Wahlmänner und Wahlfrauen (sogenannte Elektoren), die den Präsidenten oder die Präsidentin offiziell wählen.
Das amerikanische Stimmvolk kann auch per Brief wählen – theoretisch. In 14 Staaten müssen die Wählenden allerdings ein «Absentee Ballot» beantragen, in dem sie begründen, wieso sie nicht persönlich abstimmen können.
Electoral College
Die Elektoren sind Mitglieder des «Electoral College». Das ist ein Gremium, das auf die Gründungsväter der Vereinigten Staaten zurückgeht. Es besteht aus 538 Mitgliedern, die aus den 50 Bundesstaaten sowie den Bundesdistrikten nach Washington entsandt werden. Das Electoral College wurde ursprünglich eingerichtet, damit die Wahlmänner als eine Art Puffer oder Vermittler fungieren. Man wollte, dass sie die Weisheit und Verantwortung haben, im besten Interesse des Landes zu entscheiden. Historisch hat sich das aber kaum so entwickelt, weil die Wahlmänner fast immer dem Volkswillen folgen. Fast immer, ausser etwa 2016, wo es sieben «Faithless Electors» gab, die nicht ihren Kandidierenden wählten – die höchste Zahl seit 100 Jahren.
Jeder Bundesstaat darf so viele Wahlmänner und -frauen entsenden, wie er Vertreter im Kongress hat. Im bevölkerungsarmen Alaska etwa sind es aktuell 3, in Kalifornien 54. Kleine Staaten haben überproportional mehr Einfluss, weil sie mehr Wahlmänner pro Einwohner haben als grosse Staaten.
Um im Electoral College zum Präsidenten gewählt zu werden, benötigt ein Präsidentschaftskandidat bzw. eine Präsidentschaftskandidatin die absolute Mehrheit: mindestens 270 von 538 Stimmen.
So sieht ein Wahlzettel in North Carolina aus.Bild: keystone
Das «Winner Takes it All»-Prinzip
Eine weitere Besonderheit: In fast allen Bundesstaaten (ausser Maine und Nebraska) erhält der Kandidat, der die Mehrheit der Volksstimmen hat, alle Wahlmänner-Stimmen dieses Staates. Wenn also beispielsweise in Kalifornien 51 Prozent der Wählenden für den demokratischen Kandidaten stimmen und 49 Prozent für den republikanischen, gehen sämtliche 54 Wahlmänner des Staates an den Demokraten. Der Republikaner geht leer aus, obwohl die Hälfte der Wählenden für ihn (oder sie) gestimmt hat.
Dadurch kommt es vor, dass ein Kandidat die Mehrheit der Stimmen im ganzen Land («popular vote») verliert, aber die Mehrheit der Wahlmänner-Stimmen («electoral vote») gewinnt – wie es 2016 bei Donald Trump der Fall war. Er erhielt damals knapp 3 Millionen Volksstimmen weniger als Hillary Clinton, gewann aber im Electoral College.
Wann weiss man, wer gewonnen hat?
Offiziell entscheiden die Wahlmänner erst am Montag nach dem 2. Mittwoch im Dezember, wer Präsident oder Präsidentin wird. Da aber die Volksstimmen direkt am Wahltag ausgezählt werden und die Wahlmänner aufgrund der Volksstimmen entscheiden, weiss man in der Regel schon früh mit grosser Sicherheit, wer die Wahl gewonnen hat. In vielen Bundesstaaten ist zudem bereits im Voraus klar, ob die Stimmen an die Republikaner oder an die Demokraten gehen. Daher fällt der Blick am Wahltag vor allem auf die wahlentscheidenden Swing States.
Das Resultat wird traditionellerweise, noch bevor alle Stimmen ausgezählt sind, von der Nachrichtenagentur AP verkündet. Die Redaktion analysiert dazu die Wahlergebnisse sämtlicher Staaten und versucht herauszufinden, ob es irgendein Szenario gibt, in dem der zurückliegende Kandidat noch aufholen kann. Lautet die Antwort «Nein», hat der führende Kandidat gewonnen.
Wie wird entschieden, wer antritt?
Grundsätzlich kann jede Person mit US-Staatsbürgerschaft, die mindestens 35 Jahre alt ist und mindestens 14 Jahre in den USA gelebt hat, für die Präsidentschaft kandidieren. Weiter muss die Person ein «natural born citizen» sein, die US-Bürgerschaft also seit Geburt haben.
«No Person except a natural born Citizen, or a Citizen of the United States, at the time of the Adoption of this Constitution, shall be eligible to the Office of President; neither shall any Person be eligible to that Office who shall not have attained to the Age of thirty five Years, and been fourteen Years a Resident within the United States.»
Verfassung der Vereinigten Staaten, Artikel II, Abschnitt 1, Klausel 5
Vorwahlen: Primaries und Caucuses
Wer antreten will, muss sich zunächst in den Vorwahlen gegen andere mögliche Kandidaten seiner eigenen Partei durchsetzen. Dieser mehrmonatige Selektionsprozess funktioniert je nach Bundesstaat und Partei unterschiedlich. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Vorwahlen: die Primaries und die Caucuses.
Die Primaries sind die eigentlichen Vorwahlen. Die registrierten Wählerinnen und Wähler eines Bundesstaats wählen per Stimmzettel ihren Favoriten. Ähnlich wie bei den Hauptwahlen geht auch hier die Stimme an Delegierte, die sich verpflichten, am Nominierungsparteitag für den entsprechenden Kandidaten abzustimmen. Es gibt offene und geschlossene Primaries, bei denen entweder für alle Kandidaten oder nur für diejenigen der eigenen Partei abgestimmt werden darf.
Bei den Caucuses hingegen handelt es sich um Parteiversammlungen, an denen die Mitglieder der jeweiligen Parteien sich aufgrund von Reden und Diskussionen für einen Kandidaten entscheiden. Die abgegebenen Stimmen werden auch hier auf Delegierte verteilt, die dann zum jeweiligen Parteitag der beiden antretenden Parteien geschickt werden.
Ob die antretenden Kandidaten per Primary oder Caucus gewählt werden, hängt von den Wahlgesetzen der Bundesstaaten ab. Caucuses werden allerdings immer seltener, weil Primaries einfacher durchzuführen sind und mehr Bürger zur Teilnahme ermutigen.
Was sind Superdelegierte?
Die demokratische Partei hat nebst den gebundenen Delegierten noch rund 700 sogenannte Superdelegierte (von insgesamt knapp 4700 Delegierten), die am Nominierungsparteitag – der Democratic National Convention – frei wählen dürfen. Diese sind oft ehemalige Parteigrössen wie Ex-Präsidenten oder -Minister und werden nicht über das Caucus- oder Primary-System entsandt.
Der Nominierungsparteitag
Am Ende der Vorwahlen und Caucuses halten die Parteien im Sommer vor der Präsidentschaftswahl ihre nationalen Parteitage (Conventions) ab. Dort kommen alle Delegierten zusammen, um offiziell den Kandidaten zu nominieren.
Am Parteitag gibt der Präsidentschaftskandidat auch seinen bevorzugten Vize bekannt.
Welche Rolle spielen Drittparteien?
Alles dreht sich um die Republikaner und die Demokraten. Doch welche Chance haben die restlichen Parteien? «Getting on the ballots», wie es die US-Amerikaner nennen, ist für diese Kandidaten ein schwieriges Unterfangen. Denn die Regeln werden von den beiden Grossparteien, die Senat und Repräsentantenhaus bilden gemacht. So müssen Drittparteien und unabhängige Kandidaten in den meisten Bundesstaaten unter anderem eine bestimmte Anzahl von Unterschriften von registrierten Wählern sammeln und mehr oder weniger hohe Gebühren zahlen, um auf dem Wahlzettel zu erscheinen.
Da das Mehrheitswahlrecht jedoch nur einen Gewinner zulässt, haben kleinere Parteien praktisch keine Chance auf einen Präsidentschaftssitz. Auch wenn sich Wählerinnen und Wähler politisch mehr mit einem Drittkandidaten identifizieren, wählen sie dennoch meistens strategisch einen der beiden «Hauptkandidaten», da sie ihre Stimme nicht vergeuden möchten.
Geben sie ihre Stimme dennoch einem aussichtslosen Drittkandidaten, nehmen sie einem der Hauptkandidaten eine wertvolle Stimme weg. Da diese in einem «Winner Takes it All»-System gerade in Schlüsselstaaten entscheidend sein können, nehmen Drittkandidaten oft die unfreiwillige Rolle des Spielverderbers ein.
Ein solcher «Spoiler»-Kandidat war einst Ross Perot. Er kandidierte 1992 als Unabhängiger und erhielt fast 19 Prozent der Stimmen. Obwohl Perot keine Wahlmännerstimmen gewann, schwächte er den republikanischen Kandidaten George H. W. Bush und verhalf somit Bill Clinton zum Sieg.
Wie wird Wahlkampf gemacht und wieso sind Swing States so wichtig?
Um die Bürgerinnen und Bürger von sich zu überzeugen, gehen die Kandidaten monatelang auf Wahlkampf-Tour. Sie klopfen an Türen, treten auf Veranstaltungen auf, schalten Werbung und liefern sich in den bedeutsamen TV-Duellen hitzige Wortgefechte. In vielen Bundesstaaten ist schon im Voraus klar, wer gewinnen wird – Kalifornien gilt etwa traditionellerweise als «Blue State», Wyoming hingegen seit jeher als «Red State» (Blau ist die Farbe der Demokraten, Rot diejenige der Republikaner). Deshalb konzentrieren sich die Kandidaten auf diejenigen Staaten, in denen mal die eine, mal die andere Partei gewinnt: die sogenannten Swing States. Da die Kandidaten dort besonders hart um die Stimmen kämpfen müssen, nennt man sie auch Key States oder Battleground States.
Welche Staaten als Swing States gelten, verändert sich mit jeder Wahl. Experten sagen die umkämpften Staaten aufgrund von früheren Wahlergebnissen, Meinungsumfragen, politischen Trends und Stärken und Schwächen der jeweiligen Kandidaten voraus.
Wer die Wahl 2024 gewinnt, entscheidet sich laut US-Medien höchstwahrscheinlich in den sieben Staaten Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin (Stand Ende Oktober 2024).
Wer darf wählen?
Zur Wahl sind alle US-Bürger und -Bürgerinnen zugelassen, die 18 Jahre oder älter sind. Anders als etwa in der Schweiz wird man nicht automatisch zur Wahl eingeladen, sondern muss sich registrieren lassen, bevor man wählen darf. Das liegt daran, dass es in den USA keine Einwohnerkontrolle gibt, die weiss, wer wo wohnt.
Eine Ausnahme bildet North Dakota: Dort reicht es, am Wahltag ein Ausweisdokument mitzubringen.
Wie lässt man sich registrieren?
Wer wählen will, muss sich in das Wahlregister seines Bundesstaates und seiner Gemeinde eintragen lassen. Früher erforderte das den Gang zu einer Regierungsbehörde. Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Versuche gestartet, den Prozess der Registrierung leichter zu machen. 1993 etwa wurde der National Voter Registration Act (NVRA) verabschiedet, nach dem Personen automatisch ins Wählerregister aufgenommen werden, wenn sie einen Führerschein beantragen oder erneuern. Zudem können sich US-Amerikanerinnen und -Amerikaner seitdem an öffentlichen Orten wie Behindertenzentren, in Schulen oder Bibliotheken sowie per Brief oder am Wahltag unmittelbar vor der Stimmabgabe registrieren.
Dass man sich in den USA registrieren muss, um wählen zu können, steht immer wieder in der Kritik. Besonders Menschen mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund würden dadurch benachteiligt und vom Wählen abgehalten.
Wie werden die Wahlen beeinflusst oder manipuliert?
Spenden
Wer das höchste Amt der Vereinigten Staaten anstrebt, braucht nicht nur politische Visionen, sondern auch einen dicken Geldbeutel. Die Wahlkämpfe der Kandidaten verschlingen immer höhere Summen. Zwar gibt es Fördergelder vom Staat, aber wer diese in Anspruch nimmt, darf für seinen Wahlkampf maximal das Doppelte der Fördersumme ausgeben. Deshalb finanzieren die Hauptkandidaten ihren Wahlkampf meistens mit gross angelegten Spendenkampagnen.
Die USA haben eines der am meisten deregulierten Wahlkampffinanzierungssysteme weltweit. Im Prinzip dürfen Kandidaten Spenden in beliebiger Höhe von beliebigen Spendern annehmen – indirekt auch von Unternehmen und Gewerkschaften. Wahlkampforganisationen und Non-Profit-Organisationen wie etwa Super PACs bieten Schlupflöcher, um die bestehenden Regulierungen zu umgehen.
Die Politik wird so potenziell stärker von wohlhabenden Einzelpersonen, Unternehmen oder Interessengruppen beeinflusst, da diese durch die grossen Spenden die politische Agenda mitbestimmen können. Dass der Wahlkampf in den USA so viel kostet, hat ebenfalls zur Folge, dass weniger wohlhabende Kandidaten sich nicht gegen die Milliardäre, die sich gegenwärtig in der US-Politik tummeln, bewähren können.
Gerrymandering
Wenn das US-amerikanische Wahlsystem kritisiert wird, fällt oft auch der Begriff «Gerrymandering». Im Grunde genommen meint der sperrige Begriff: Wahlbezirke so zeichnen, dass die eigene Partei dadurch mehr Stimmen erhält.
Die im Bundesstaat regierende Partei (nicht etwa eine unabhängige Drittstelle) teilt die Bezirke so ein, dass Regionen, die vorwiegend für die eine Partei stimmen, zusammengenommen werden. So bleiben Politiker auch ohne Mehrheiten an der Macht.
Die Neuziehung der Wahlbezirke ist in den USA normal und geschieht alle 10 Jahre, um die sich verändernde Bevölkerung möglichst repräsentativ abzubilden. Fällt allerdings auf, dass die Grenzen manipulativ gezogen wurden, drohen Strafen. Entsprechend landen die neuen Distriktkarten oft vor Gericht – nicht immer erfolgreich.
Der Begriff «Gerrymandering» stammt von Elbridge Gerry, einem Gouverneur von Massachusetts, der 1812 Wahlbezirke so manipulierte, dass sie der gegnerischen Partei schadeten. Da die Bezirke der Form eines Salamanders ähnelten, entstand daraus das Kofferwort «Gerrymandering».Bild: Shutterstock
Diese Wahlen waren besonders knapp
Gore vs. Bush
Die wohl bekannteste knappe Wahl der Neuzeit war diejenige zwischen George W. Bush und Al Gore im Jahr 2000. Damals ging es um die Frage, ob die Stimmen im entscheidenden Bundesstaat Florida neu ausgezählt werden sollten. Der Supreme Court erklärte die Wahl nach über einem Monat für beendet und machte damit den Republikaner George W. Bush mit 271 Elektorenstimmen zum Präsidenten. Der Demokrat Al Gore hatte das Nachsehen.
Kennedy vs. Nixon
Noch knapper war die Wahl von John F. Kennedy, der 1960 mit 49,7 Prozent der Stimmen gewann. Sein Konkurrent Richard Nixon brachte es auf 49,6 Prozent. Zwar konnte Kennedy deutlich mehr Wahlmännerstimmen auf sich vereinen, doch waren die Entscheidungen in 20 Bundesstaaten sehr knapp.
Clinton vs. Trump
Auch die Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump im Jahr 2016 war eine für die Geschichtsbücher. Clinton erhielt damals fast 3 Millionen Wählerstimmen mehr als Trump – eigentlich alles andere als knapp. Dennoch gewann er die Wahl dank mehr Elektorenstimmen. Berechnungen zeigen allerdings: Hätte Clinton in den Bundesstaaten Florida und Wisconsin nur 67’831 Stimmen mehr erhalten, hätte sie ins Weisse Haus einziehen können. Das sind nur 0,05 Prozent der 136’628’459 amerikanischen Wählenden.
In 134 Sekunden alles Wichtige im Video zusammengefasst:
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